Tagebuch Von Gerilla

Deshalb bin ich aufgeregt und voller Hoffnung

Aus dem Tagebuch von Selma Doğan (Zinarin), V. und letzter Teil


März 1997

Überall gibt es Probleme mit der Führung, aber jene von diesem Bataillon ist unvergleichbar. Die Ausgelassenheit kennt keine Grenzen. Unsere Freunde sagten gestern ganz aufgeregt, dass zwei Tage für die Vorbereitungen zum Aufbruch nach Haftanin nicht ausreichen würden. Deshalb sollte der heutige Tag ohne Unterricht vergehen. Proviant soll deponiert und die militärischen Utensilien vergraben werden. Obwohl sie diese Gründe aufgezählt haben habe ich die Ansicht verkündet, dass dies falsch ist. Dass ein ganzes Bataillon nicht nur mit solchen Arbeiten beschäftigt werden darf. Aber wer hört schon drauf, weder unsere feudalen Herren noch unsere vergnügungsliebende Freundin Ruken. Die große Abteilung haben sie mit drei Säcken Mehl und einem halben Sack BKC-Munition (Maschinengewehrmunition; Anm. Red.) aufgehalten. Selber haben sie dann ihre Waffen gezückt und sind auf Jagd gegangen. Weil sie sich so danach gesehnt haben, sind die Frauen in ihre Gruppen zurückgekehrt und haben sich unbekümmert unterhalten. Ich bin verrückt geworden, bin durchgedreht, die Gruppe hat beim gestrigen Zusammenkommen Kritik geübt.

4. März 1997

Es ist 6 Uhr morgens. Ich sitze auf dem großen Stein inmitten unseres Lagers. Genau mir gegenüber: die tiefe lange und enge Schlucht, in der wir uns befinden, beide Seiten sind von milchweißen Felsenblöcke umgeben, die am Ende miteinander verbunden sind. Am oberen Ende der Schlucht zeigen sich die schneebedeckten Hügel von Haftanin und Cudi. Über uns ziehen die Wolken wie wildströmendes Wasser in Richtung Cudi, deren ganzes Grau sich auf dem Berg widerspiegelt. Der Berg ist wie ein Brennpunkt, an dem sich die Wolken verdichten. Unruhig sind wieder die Vögel. In diesem Augenblick sind es vielleicht Tausende, die alle zugleich eilig zwitschern. Sie singen ein Lied, dessen Fröhlichkeit, Kummer, Zorn unverständlich ist. Das Braun der Erde, das Geld der Blätter darüber, die frierenden weißen Zweige, auf deren Spitze die Knospen bereit sind zu sprießen und das Dunkelgrau der Tannen. Hat mich das auch früher so traurig gemacht? War ich früher auch so?

13. März 1997 Haftanin

Kurz vorher haben zwei Flugzeuge, die tief geflogen sind, unseren Unterricht sabotiert. Wir haben über die Frau, über ihre Versklavung, also über uns selbst diskutiert. Seit einiger Zeit diskutieren wir schon darüber. Aber ich sehe keinen ausreichenden Fortschritt im Leben der Freunde. Sie scheinen zu lernen, es sieht zumindest vorerst so aus, als würden sie einiges begreifen. Aber bei den einfachsten Dingen ist die Oberflächlichkeit und Erbarmungslosigkeit nicht zu übersehen, die sie an den Tag legen. Auch ich bin, was Lösungen finden betrifft, unzureichend. Ich konzentriere mich auf die Ausbildung, genauso auf das Leben. Aber ich habe Probleme damit zu einer Autorität zu werden. Auch bei den Beziehungen zu den Führungskräften und auch was Kollektivismus angeht. Seit dem Tag an dem ich mich von Newroz getrennt habe, habe ich keine aufrichtigen Annäherungen gesehen. Immer heuchlerisch, immer vereitelnd. Wann auch immer ich eine Kritik anbringe, nur dann kommen sie auf die Idee mich zu kritisieren.

19. März 1997

Ich fühle mich gerade so bedrückt und beengt, dass ich weinen könnte. Aber ich weine nicht. Ich kann diese Kuppeleien, diesen Individualismus und den Ehrgeiz nach persönlicher Karriere und dem diesem nach geführten täglichen Beziehungen nicht mehr ertragen. Ich kann mich niemandem öffnen. Das Schlimme ist, dass die Kraft in der Hand des Unehrenhaften ist. Und alle sind an der Seite der Kraft. Deshalb fühle ich mich so hilflos. Ich gehe mit mir selbst ins Gericht. Ich (ver)urteile meine Gefühle. Ist es wohl möglich, dass mein Zorn mich dirigiert. Ist es Neid? Derartiges kann ich aber nicht erkennen. Ich bin nämlich so weit, dass ich wirkliches diskutieren, kommunizieren und den Wunsch nach Weggenossen am stärksten verspüre, und im Namen der Frau am meisten arbeiten und entwickeln möchte. Und das wichtigste von allem ist, dass ich die Kuppelungen Minute für Minute sehe.

22. März 1997

All die Menschen, die ich liebe, für die ich mich auf den Weg gemacht habe und sie erreichen will, mein gestern und mein morgen, mein armes aber sich wehrendes Volk, aus dem Blut und Leben gewordenen und dem Volk gewidmeten, mutigen und kriegerischen Volkskinder, die, die wir zusammen gelacht und geweint haben, die wir ein Stück Brot in zehn Teile geteilt und zu hunderten eine Träne getragen haben, liebe Freunde, die beim letzten Händeschütteln ihr Herzzerreißen und mit ihrem tiefen Leiden ihre Tränen nach innen umgeleitet haben, Seelenfreunde, die die Türen meines Geistes und meiner Seele zur Menschheit öffneten und den Menschen zum Menschen machenden Samen der Liebe in mein Innerstes einpflanzten, sie bewusst wässerten, mich meinem Volk, meiner Erde und meiner Zukunft bindenden, mein Führer. Herzlichen Glückwunsch zum Newroz.
Ich gratuliere dir zum Newroz, meine liebe Freundin Melsa. Und auch du seist zum Newroz gegrüßt, die in mir keimende neue Liebe. NEWROZ PIROZ BE! In diesem Moment macht unser Freund Cemal über die Stärkung der Frauen, die Geschehnisse und Probleme eine Konferenz. Ich muss gestehen, es ist wirklich zum einschlafen. Der Grund dafür ist, dass alles, was er wirklich macht ein Ballastabwerfen von sich selbst ist. Ja, in der Geschichte der Partei bleibt wieder ein ungeklärter Fall gelebt. Das Wrack wird weiter bestehen.

27. März 1997 Kesanin

Es ist lange her, dass ich dir einiges anständig mal geschrieben habe. Ich habe immer zwischendurch etwas hingekritzelt. Ich weiß, höchstwahrscheinlich wird auch dieser Teil meines Briefes offen bleiben. Der Grund dafür ist, dass wir die ersten Tage des Übergangs in die Herbstordnung leben und die ganze Zeit unterwegs sind. Gestern haben wir unseren Stützpunkt erreicht. Ich habe die Führung eines neuen Blockes übernommen. (Wie ich doch schon vorhergesagt habe. Ich muss mich jetzt um die Probleme einer kleinen Freundin namens Dilan kümmern. Ich werde später fortfahren.)

28. März 1997

Ja! Wie ich schon gesagt habe, wir sind nun eine Kriegseinheit. Und unsere Einheit wird sobald der Schnee verschwindet im richtigen Sinne in den Kriegszustand übergehen. Es besteht ohnehin an diesem Tag die Möglichkeit, dass eine Operation beginnt. Die türkische Front zentriert ihre Abwehrkräfte in Mardin und Sirnak. Nebenbei trifft die KDP im Süden auch einige Vorbereitungen. Wenn eine Operation jetzt zur Rede steht, ist der einzige Hindernis die sich nicht normalisierenden klimatischen Bedingungen, obwohl es Ende März ist. Es schneit heftiger als im Januar. Natürlich ist das für uns die Gelegenheit, die ohnehin verspäteten Kriegsvorbereitungen zu Ende zu führen. Vor 3–4 Tagen wurde die neue Einteilung gemacht. Als sich für mich die so nahe und doch ferne Möglichkeit nach Beytüssebap zu gehen erübrigt hatte, wurde mir als zweite wichtige Chance die Führung einer Kriegseinheit gegeben wurde. Vor drei Tagen habe ich mich mit meiner Einheit, den unseren Kesani genannten Ort erreicht und wir haben uns dort niedergelassen. Wir sind ein Teil von dem Bataillon unseres Freundes Fazil. Gestern und heute hatten wir neue Diskussionen und Einteilungen. Ich wurde als allgemeine Verantwortliche gewählt. U.s.w...

Doch die Praxis macht es mir schwer. Die Praxis und vor allem die Kriegspraxis ist wie ein großes Meer. Und ich fühle mich wie ein verwirrter Fisch in diesem Meer. Wirklich in Bezug auf die Kriegspraxis gibt es keinen Unterschied zwischen einem Kind und mir. Oder meine „lieben” Freunde geben mir dieses Gefühl. Gestern haben wir besprochen, welche Orte wir halten werden, wenn wir uns aufteilen. Als ich den Freund Fazil, welcher in groben Zügen erzählte, bat die Gegend als Geländeskizze zu präsentieren, hatten alle ein vielsagendes Schmunzeln im Gesicht. Als hätte ich etwas sehr komisches und zusammenhangloses gesagt. Das hat mich wirklich verletzt. Was soll´s. Es ist keine Schande nicht zu wissen, schuldig ist, wer nicht lernen möchte. Dies sind vergängliche Ereignisse. [...] Nach vielen Jahren werde ich den Krieg, den Streit mit Begeisterung, mit Krach und Aufregung, vielleicht mit Schmerz, also mit ihrer Einzigartigkeit erleben. Ich bin wirklich bereit dazu und brauche es.

Ich denke, ja glaube daran, dass ich je mehr ich kriege und nach dem Krieg lebe reifer, tiefgründiger und ein noch gefühlvollerer Mensch werde. Ich werde meinem Selbst näher kommen und mich mit meinem Land verwurzeln. Außerdem werde meiner Persönlichkeit nicht wirklich angehörige Seiten mit dem Krieg abstreifen, und ich weiß, dass die Tapferkeit der Frau sich auch in meiner Person spiegeln wird. Deshalb bin ich, während ich auf den Krieg warte, aufgeregt und voller Hoffnung. 




Wär ich der schwebende Falke

                           Aus dem Tagebuch von Gurbetelli Ersöz, Teil IV



Mit dem vierten Abdruck aus dem Tagebuch von Gurbetelli Ersöz beenden wir im Kurdistan Report dessen teilweise Veröffentlichung in deutscher Sprache. Es wird aber an dieser Stelle auch in Zukunft weitere Veröffentlichungen von Tagebüchern aus dem Leben der Guerilla geben. Sie sind eine Möglichkeit, das Fühlen und Denken der KämpferInnen in den Bergen besser zu verstehen. Die Tagebücher, die in den Reihen der Guerilla sehr zahlreich produziert werden, sind ein großer Schatz, den es gilt, interessierten Menschen zugänglich zu machen.



                           Ruhelose Tage

Aus dem Tagebuch des Kämpfers Ayhan Kaya, Teil IX

                                    10. Juli 1993

Wir besuchen weiterhin die Dörfer. Heute halten wir uns im einladenden Sewati auf. Die Miliz dieses Dorfes ließ uns eine Nachricht zukommen, in der es hieß, daß sich einige junge Menschen uns anschließen möchten. Meine Gruppe wartete außerhalb des Dorfes als Sicherungseinheit. Nach nur kurzer Zeit kamen unsere Freunde mit drei neuen Kämpfern und einer Kämpferin zurück. Wir nahmen sie herzlich auf.

Plötzlich tauchten Angehörige der neuen Kämpfer auf. Sie wollten die Neulinge zur Rückkehr überreden. Besonders der ältere Bruder von Rejiyar war sehr hartnäckig. Rejiyar erklärte, daß er sich wegen seiner Ehre und für sein Land der Guerilla anschließe. Als sein Bruder einsah, daß er nicht zu überreden war, gab er ihm etwas Geld und verabschiedete sich mit den Worten: "Wenn du so entschlossen bist, gehe in Frieden. Mache uns keine Schande. Ihr seid alle meine Brüder, paßt auf euch auf."

Als wir uns auf den Weg machten, kam ein Dorfbewohner auf uns zu und sprach zu unserem Gruppenführer: "Man kann nicht alles auf einmal haben. Denkt daran, daß Apo am Anfang alleine war. Und heute folgen ihm Millionen von Menschen. Nun haben von unserem Dorf diese vier jungen Menschen den Anfang gemacht. Es werden bestimmt noch andere folgen. Bald wird sich das ganze Dorf euch angeschlossen haben."

Ein unbeschreibliches Glücksgefühl erfüllt mich, denn bis jetzt war ich noch nie dabei, als sich uns neue Kämpferkandidaten angeschlossen haben. (...)

14. Juli 1993

Heute ist der Tag, an dem vor 11 Jahren der große Hungerstreik in Diyarbakir anfing. Heute schlossen sich M. Hayri Durmus, Kemal Pir, Akif Yilmaz und Ali Cicek dem Hungerstreik von Mazlum Dogan an. Dieser Tag wurde von der Partei als nationaler Ehrentag bestimmt.

An diesem Tag brachten sie der türkischen Republik eine sehr wichtige Niederlage bei. Wir fühlen uns verpflichtet, ihren Spuren zu folgen. (...) Dieser Tag ist ein Symbol für Brüderlichkeit, Frieden, Internationalismus und Freiheit. (...)

Heute nacht scheinen uns die Sterne zum Greifen nah. Tise - am Rand des Berges gelegen - ist ein schönes Dorf, aber es macht einen traurigen Eindruck, denn die feindlichen Stellungen auf den Hügeln beschatten das Dorf. Um jeden Preis muß der Feind aus ihnen vertrieben werden.

Ich wurde immer ungeduldiger. Stundenlang beobachteten wir schon diese Stellungen. Jede Sekunde könnten wir angreifen. Es wurde Mitternacht. Alles lag sehr ruhig vor uns. Wir hatten das Nachrichtensystem des Feindes angezapft und hörten alles mit, was sie sprachen. Die waren sehr gelassen, denn sie dachten, daß heute nacht nichts mehr passieren würde. Sie irrten sich.

Genau um halb eins feuerten sie zwei Leuchtkugeln ab. Nachdem diese erloschen waren, feuerten die Freunde mit B-7 Maschinengewehren und das Gefecht ging los. Der Feind war völlig irritiert und forderte Hilfe an. Aber von der feindlichen Zentrale wurde ihnen mitgeteilt, daß sie diese Nacht keine Verstärkung mehr erreichen könne.

Überall hörten wir Schüsse und Granaten. Durch die häufigen Explosionen von Handgranaten war festzustellen, daß unsere Freunde in die feindlichen Stellungen eingedrungen waren. Nur meine Gruppe, die den Rückzug sichern sollte, konnte sich an dem Kampf nicht beteiligen. Nach zwanzig Minuten zogen sich die Freunde zurück. Aus den höher liegenden feindlichen Stellungen wurde noch auf uns geschossen. Demnach war nicht alles vernichtet. Bis zum frühen Morgen feuerten sie mit Kanonen. Wir antworteten mit Granatwerfern. (...) Mit den ersten Lichtstrahlen der Morgendämmerung kamen die feindlichen Kampfhubschrauber und warfen mal hier, mal da Bomben ab. Dann flogen sie zurück.

Endlich kam ein Freund von der Angriffsgruppe zurück. Man konnte ihm ansehen, wie müde er war. Sein Uniform war blutig. Tausende von Fragen gingen uns durch den Kopf, als wir ihn ansahen. Es war sicher, daß einige von uns verletzt waren. Ich begab mich sofort zu ihnen und fragte sie nach ihrem Zustand. "Gleich zu Beginn wurde Ihsan verletzt", erzählten sie, "und als wir in die Stellungen eindrangen, wurde Welat am Arm getroffen. Agit haben wir verloren. Nach dem Kampf zogen wir uns mit den Verletzten in die erste Auffangstellung zurück. Gegen sechs Uhr morgens lebte Ihsan nicht mehr." (...) Nach kurzer Zeit kam Behzat, auch er war am Arm verletzt. Wir schickten ihn mit unserem Mediziner zu den anderen Verletzten.

Die Freunde hatten viele feindliche Waffen vernichtet. Gemäß dem ursprünglichen Plan sollten diese Waffen mitgenommen werden. Da es jedoch einige Verletzte gab, die getragen werden mußten, vernichteten sie die Beutewaffen. Gegen Abend kamen zwei Freunde von den Verletzten zurück und berichteten, daß Welat aufgrund des hohen Blutverlustes gestorben war. Ihsan und Welat wurden nebeneinander begraben.

Der Feind hatte hohe Verluste erlitten, denn zwei Hubschrauber kamen zweimal, um die Toten abzutransportieren. Das wurde uns auch von einem Dorfbewohner bestätigt, der gegen Mittag zu uns kam.

Vor Einbruch der Dunkelheit waren wir alle zusammengekommen. Es stand die Bewertung der ganzen Aktion an. Wir sprachen über unsere Erfahrungen und Fehler und stellten fest, daß wir aufgrund dieser Fehler zwei Freunde verloren hatten. Ihsan ist durch unsere Schüsse verletzt worden. Und Agit wurde von Splittern seiner eigenen Handgranate getroffen. Abgesehen von unseren Verlusten waren wir erfolgreich gewesen. Wir müssen aus unseren Fehlern lernen.

30. Juli 1993

(...) Agit, der nach dem Angriff vermißt wurde, war auch gefallen. Als Ihsan verletzt wurde, kümmerte sich die Gruppe um ihn. Agit verließ jedoch die Gruppe und griff den Feind mit an. Nachdem er zwei feindliche Stellungen alleine vernichtet hatte, stürmte er zur dritten. Dort wurde er an Kopf und Bein getroffen. Er war sehr mutig und ein sehr guter Gruppenführer. Allerdings mochte er zuweilen alleine etwas unternehmen. Seine Leiche zeigte der Feind den Dorfbewohnern. Alle im Dorf kannten ihn. (...)

Im Kampf erlebt man vieles. Man hat immer wieder Feindberührung. Manchmal werden wir in Hinterhalte gelockt, manchmal schlagen wir zu. Eines ist sicher: Krieg lernt man im Krieg. Man lernt seine Stärken und Schwächen kennen.

(...) In diesen Tagen hat der Feind viele schlaflose Nächte. Überall sieht man Soldaten, denn der 15. August ist nah. Wir befinden uns auf dem Marsch in Richtung Xumaro in Zerzan. Von hier hat sich der Feind nahezu ganz zurückgezogen und wir haben die Kontrolle übernommen. Auf einigen Hügel befinden sich noch einige feindliche Stellungen. Der Sturm auf diese wäre für uns sehr riskant. Andererseits gefährden sie uns von diesen Hügeln aus nicht. Sie können diese Hügel nicht verlassen und werden durch Hubschrauber mit Waffen und Proviant versorgt. (...)

Wir bewegen uns in Gruppen und in der Nacht. Die Tage dienen der Erholung. Sie sind auch heiß, sehr kalt dagegen die Nächte. Mit unseren Regenponchos versuchen wir uns in der Nacht vor der Kälte, am Tag vor der Hitze zu schützen.

Gestern erhielten wir von der Zentrale neue Anweisungen, die wir dann besprachen. Es geht um die Intensivierung des Krieges. (...)

1. August 1993

Wie schnell die Tage vergehen. Nun sind wir im Monat des Aufstandes, im August. Der Krieg ist in diesem Monat besonders intensiv. Eine jede unserer Aktionen muß in diesem Monat erfolgreich sein.

Von Xumaro geht es zu unserem eigentlichen Einsatzgebiet: Herki. Auf dem Weg wollen wir den feindlichen Einheiten in Düre und einem Banditendorf namens Gulanka einen "Besuch" abstatten. Das Dorf und die Einheit liegen nicht so weit voneinander entfernt. (...) Unser heutiges Marschziel ist der Berg Begoz. Unterwegs hat es kurz geregnet und die Erde duftete.

Jeder Berg, jeder Stein, jedes Dorf in Kurdistan besitzt seine eigenen Schönheiten. Wie läßt sich die Schönheit dieses Landes mit Worten, mit Gedichten, Bildern oder Büchern beschreiben? Kurdistan ähnelt dem Paradies, das der Feind zur Hölle gemacht hat. Er foltert unsere Menschen, vertreibt die Dorfbewohner, verbrennt die Wälder, bombardiert unsere Berge. Aber egal was er unternimmt, unser Land werden wir doch eines Tages befreien. Ruhe und Frieden wird in unserem Land wieder einkehren. Unser Volk wird hier große Dienste für die Menschheit leisten und sein Land nie wieder besetzen lassen.

Die Berge Begoz und Cercelan ähneln zwei Verliebten. An den Ausläufern stehen dichte Wälder, während sich in den höheren Regionen nur wenige Bäume befinden. Es sieht aus, als würde hier der Frühling neu beginnen. Oben auf dem Gipfel ist es sehr kalt, wobei uns die Felsen als Kälte- und Windschutz dienen. Auf dem Gipfel des Begoz liegt noch Schnee, das herabströmende Wasser ist eisig. Es ist sicher, daß wir diesen Berg öfters besteigen werden, denn wir sind für dieses Gebiet verantwortlich. Früher verbrachten viele DorfbewohnerInnen den Sommer auf den Hochweiden dieses Berges, heute trauen sie sich nicht mehr. Denn unten haben sich einige Dörfer gegen uns bewaffnet. Wir und die Berge können ihnen ihren Verrat nicht vergeben. (...)

9. August 1993

Ständig sind wir in Bewegung. Jeden Tag sind wir woanders. Die Nächte marschieren wir durch. Die Ruhe der Nacht wird einzig durch Freunde gestört, die ausrutschen. Wer von uns öfters hingefallen ist, können wir erst bei Tageslicht an der zerrissenen Uniform sehen.

Die letzten von uns besuchten Dörfer sind alle vom Feind bewaffnet worden. Deshalb hatten sie vor uns Angst, und sie versprachen alle, ihre Waffen niederzulegen. Aus einem Dorf nahmen wir vier Männer mit. Wir werden sie freilassen, wenn sie ihr Versprechen halten. Eigentlich setzen diese Dörfer ihre Waffen gegen uns nicht ein. Sie haben sie sogar begraben. Wir haben aber dennoch deutlich gemacht, daß sie irgendwann vom Feind gezwungen würden, gegen uns zu kämpfen, auch wenn sie das nicht wollen. Falls sie ihr Versprechen halten, wird auch dieses Gebiet unter unserer Kontrolle sein.

Der Berg Carcela wirkt majestätisch. Ich wollte immer diesen Berg bezwingen. Nun steigen wir hinauf, wobei wir darauf achten, uns nicht zu verlaufen - was hier sehr leicht geschehen kann. In den oberen Regionen liegt noch viel Schnee. Beim Aufstieg fängt es an zu regnen. Nachts zittern wir vor Kälte. Es gibt hier keine Möglichkeiten, sich vor der Kälte zu schützen. Im letzten Winter sind hier sieben Genossen erfroren. Vor uns hatte eine Gruppe die Leichen entdeckt und alle nebeneinander begraben.

Nach eintägigem Aufenthalt stiegen wir wieder hinab. Der Abstieg war nicht unbedingt leichter als der Aufstieg. Ein Viertelsekunde Unkonzentriertheit genügt, um auszurutschen. Da der Boden auf diesem Berg besonders hart ist, tut es schrecklich weh. (...)

Der Feind erhält täglich Verstärkung. Sie wollen dieses Gebiet einfach nicht aufgeben, obwohl unter ihnen große Angst herrscht. Mit jedem weiteren Toten werden sie ängstlicher.

Mal sehen, was ich alles noch erleben, wo ich noch hingehen werde. Ich fühle mich geehrt, daß ich für mein Land kämpfen darf. 


Gedicht Von Gerilla

                                                       Weg zur Freiheit

Eine Brücke zwischen
Vergangenheit und Zukunft
das sind wir.
Wer kennt sie?
Unzählige Opfer
Namenlose Heldinnen
Und Helden
Spürten Sehnsucht
Nach Freiheit

                                                

schachteten es aus
in mühseliger Kleinstarbeit
füllten es aus
mit Gedanken
Worten
Taten
Mit Seelen
Leiben
Der Feind zerstückelt
Die Kraft gehört ihm
Wir vereinigen
Die Kraft gehört uns
Stein um Stein
Vervollständigen wir
Das Fundament.
Tragfähigkeit
Baut auf festem
Grundstein auf
Schwer wird sie
Zu tragen haben
Frühe Belastungsproben
Hinterliessen Risse
Risse bis hinein
In die Substanz
Doch
Sie geriet nicht
Ins Wanken
Unzählige Opfer
Nahmen lose Heldinnen
Und Helden
Boten ihr halt.
Sie streckt ihre Armee
Dem Osten entgegen
Weiß sie doch:
Hier erblickt die Sonne
Den Tag.
In der Morgendämmerung
Von Neuem
Zum Leben erweckt
Wird und sie
Eine Brücke zwischen
Vergangenheit und Zukunft.

 

   

 

           

 

 
Gerila Tv
 
Bernama Ciwan
 
 
Free Counter
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden